über Helmut Zapf

- M E I N U N G E N - P R E S S E - K R I T I K E N -

"... sein ganz außergewöhnlicher Klangsinn als Ergebnis ‘technischer Phantasie’ und die Fähigkeit der Formbildung, die seinen kompositorischen Gebilden innere Festigkeit verleiht... eine pralle Musikerpersönlichkeit" Evelyn Hansen, Akademie der Künste Berlin, 1993

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PNN 25.05.2011 von Gerold Paul
Potsdamer Neusten Nachrichten

Festival INTERSONANZEN 2011

...Moskaus führendes Ensemble der Moderne stellte sich nach seinem Auftritt im Filmmuseum mit einem genauso erlesenen Konzertprogramm im schmucklosen Foyer des Nikolaisaals vor. Die Matinee hatte es wirklich in sich, nicht unbedingt wegen der Uraufführung von Peter Köszeghys Klagestück „Keen“, sondern weil hier die Auseinandersetzung, ja der kompositorische Kampf, mit der und um die Gegenwart am klarsten aufschien – streitbar, empfindsam, subtil, na klar....
...In Georgy Dorokhovs „Particules elementaires“ für Flöte, Klarinette, Violine, Cello und Klavier etwa soll eine nicht aufgeführte Komposition aus einzelnen Klängen rekonstruiert werden, was selbst die Pausen zu Kunstwerken werden lässt. Helmut Zapf schuf mit „Albedo VIII“ für Altflöte, Cello und Klavier eine so überzeugende Synthese aus modernen Klangbildern und traditionellen Kompositionsteilen, dass man dieses Werk mit der Klangfarbe „Weiß“ schon heute zu den Klassikern von morgen zählen darf....
Das Moskauer Septett aus Streichern und Bläsern interpretierte diese und weitere Kompositionen von innen her mit aller Liebe und so viel Virtuosität, bis manch Hiesiger einräumte, so komplizierte – kontrapunktische – Strukturen selber nicht spielen zu können.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2009, Nr. 280
HANS SACHS ALS NEUTÖNER

Russische Szene: Härtetest für Deutsche Komponisten
MOSKAU, 1. Dezember.

Allen Unkenrufen zum Trotz hat das Goethe-Institut die hohe Muse noch nicht abgeschrieben.
Ein Glanzpunkt des alljährlichen Festivals "Moskauer Herbst", auf dem der russische Komponisten-verband seine Ernte einfährt, war diesmal der Besuch der deutschen Komponisten Jörg Widmann und Helmut Zapf sowie des Pianisten Siegfried Mauser, die mit russischen Kollegen ein gemeinsames Konzert bestritten und in Sonderseminaren ihr Schaffen vorstellten.
Im großen Saal des Verbandsgebäudes, wo einen Monat lang Aufführungen anspruchsvoller Avantgardisten und Militärorchester, minimalistische Konzeptmusik und orthodoxe Kirchengesänge quasi "demokratisch" alternierten, spielten die vorzüglichen Solisten des "Ensembles für zeitgenössische Musik" gemeinsam mit den illustren Gästen ein Programm, in dem deutsche Materialarbeit und russischer Freigeist einander aufs schönste ergänzten.

Bejubelt wurde insbesondere Zapfs ausladendes Stück "Albedo VIII" für Altflöte, Cello und Klavier, worin der gelernte Kirchenmusiker eine reiche Geräuschklangpalette mit altmeisterlich anmutender Satzkunst verarbeitet. Rhythmisierte Attacken münden in silbrige Flageolettschleier, wobei Flöte und Cello einander subtil imitieren und in metronomartigen Pochpassagen die Albedo-Reflexionswirkung, die den Komponisten inspirierte, auszumessen scheinen. Anderntags stellte Zapf, der wie ein ernster
Hans Sachs des Neutönertums auftrat, den Studenten und Verbandsmitgliedern noch sein konsumkulturkritisches Hauptwerk, die expressive Multimedia-Ballettmusik "Das Goldene Kalb" vor.


Siegfried Mauser intonierte zunächst voll bajuwarischem Furor Rihms "Klavierstück Nummer 7" mit seinem hochvirtuosen Akkord-Trommelfeuerwerk, das von lauter Kürzestpausen zerrissen wird, um
dann mit Widmann bei dessen Charakterminiaturen "5 Fragmente" zu duettieren.
Die Gäste hätten durch ihre hochdifferenzierte Musiksprache imponiert, befand der russische Nachwuchskomponist Georgi Dorochow - sicher auch mit Blick auf das Klangfarbenfeuerwerk von Widmanns wildromantischer Fantasie für Soloklarinette. Zugleich erschien ihr Idiom Dorochow vorhersehbarer als das der russischen Kollegen, wie etwa Oleg Paiberdins "Guo Hua" bewies,
das von einer Timbrestudie über apokalyptische Ausbrüche zu fernöstlicher Stilisierung hin- und wieder zurückimprovisiert.
Wladimir Nikolajews "Bewegtes Meer", das vier Sätze melodischer Wellenmuster in Streichern und Klavier aneinanderreiht, setzte einen herablassend konzeptualistischen Akzent. Zapf und Mauser zogen nach ihrem Moskauer Auftritt mit den russischen Musikern weiter in die Provinzstädte Perm, Ischewsk und Tschaikowsky.

KERSTIN HOLM
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F.A.Z.


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Tanz ohne Kalb
Uraufführung zur Rheinsberger Pfingstwerkstatt 2006
von Stefan Amzoll (Junge Welt Juni 2006)

Pfingstsonntag gab es die Ballett-Uraufführung "Das goldene Kalb" von Helmut Zapf, ein Auftrag der Musikakademie Rheinsberg.
Ulrike Liedtke, die nicht müde wird, deutsche Komponisten und Künstler aus dem Osten zu fördern und mit diesen auch künstlerisch zu koproduzieren.
Frau Liedtke schrieb das Libretto zu dem Zapf-Werk, eine Skizze die sich eher symbolisch als szenaristisch auf der Bühne verwirklichte. In Rede stehen - man höre - Menschheitsprobleme. Hervorstehend die differenziert abgestufte Bühne (Wiebke Horn) wie die Raumaufteilung des Orchesters. In den Ecken sind treppenförmig Instrumentengruppen postiert.
Auf der Empore agiert eine Solotrompete (Ulf Behrends).
Der Dirigent (Arno Waschk) ist gleichsam stählern eingefasst, agiert wie ein Priester auf der Kanzel und traktiert von oben die Tänzer (Dance Company Bettina Owczarek) und das aus 15 Musikern bestehende Ensemble Mosaik. Die Spieler und Tänzer agieren eine alte archaische Welt in gegenwärtigem Gewande aus. Ganze Spektren archaischer Topoi kommen zum Zuge: Extase, Circensisches, Rituale noch und noch. Auch Zirkusartistik, bisweilen etwas zu viel davon. Bitter um die Individuen ist es bestellt, fallen die schwarzen Trauerflore vom Himmel und umhüllen, umzwirnen, umschlingen, erdrücken, ersticken die Kreaturen unten.
Aber das schwarze Tuch bietet auch Schutz, vor bösen Mächten, hässlichen Tieren (die nicht zu sehen sind), vor arroganten Imperatoren.
Den bisweilen wahnwitzigen Bewegungsritualen entspricht eine ressourcenreiche, äußerst mobile Musik. Schlechthin entscheidend ist die rhythmische Dimension. Der Zeperniker Komponist Helmut Zapf hat diese sorgsam auskomponiert und auch sonst viele Einfälle gehabt. Ruhe - aufsteigende Hitze - Spannung - Hochspannung - kontrollierte Deskalation, äusserte Ruhe, das sind die dramaturgischen Eckpunkte. Interessant die stehenden Bilder. Wie beim fotografischen Klicken hält zweimal die Gesamtbewegung des Ensembles an. Bob Wilson hat das einst vorgemacht. Aber der Varianten gibt es viele. Regisseurin und Choreografin Bettina Owczarek hat sich gleichfalls manch Interessantes einfallen lassen. Ihre Bilder sind strukturell einprägsam und inhaltlich klar. Ein Kalb muss nicht auftreten, dafür ein Herrscher mit güldenem Schlips und noch güldeneren Schuhen. Ein Yupi der Jetztwelt, Herrscher ohne Ende, zum Schluss erdrückt durch die Last der schwarzen Trauerschals. Besonders einprägsam das marionettenhafte Schlussbild. Verschidedene soziale Typen erstarren am Ende zu einem Bild des Entsetzens: der schwarze Imperator, die Edeldame in Rot, der Teeni mit Sportschuhen, die am Boden Wischende, die durch den Wind segelnde Balletteuse, die ewig in den Himmel blickende Turkis-Frau.
Vor vollem Haus war eine Ensembleleistung von Rang zu erleben. Solch neue Kunst hat wohl Rheinsberg noch nicht gesehen.

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14. Pfingstwerkstatt - Neue Musik Rheinsberg 2006
Das Goldene Kalb - Uraufführung von Helmut Zapf
von Gisela Nauck (NMZ 2006/07 Seite39 )

...erzählt wird sie aus der Perspektive von Moses und Aarons Schwester Mirjam, die allerdings deutlicher durch alle drei Bilder hätte geführt werden müssen, um ihre Funktion zu verstehen. Nichtsdestotrotz überzeugten die drei Teile „Das Goldene Kalb“, „Chimäre“ und „Pegasus“ durch ausdrucksstarke Klangbilder des Marschierens, der Ekstase, der Zerstörung und Illusion, deren abstrakten Realismus Bettina Owczarek
in quasi handlungslose Bewegungsbilder transformierte: Das die Wüste gemeinsam durchquerende, einhellig das Goldene Kalb anbetende – etwas schwach die Symbolisierung durch einen Lichtkegel – und sich in seinen Trugbildern verstrickende Volk endet als arrogante Individualisten.
Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten zerbricht die Liebe, erstickt das Selbstbewusstsein, wird Freude sinnlos. Ausgezeichnete Sachwalter der Uraufführung waren das ensemble mosaik unter Leitung von Arno Waschk und die Dance Company Bettina Owczarek. Einziger Kritikpunkt:
Die Choreographie erschien mit ihren artistischen und auf Tempo zielenden Elementen manchmal so überpräsent, dass sie die Musik überlagerte...